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Ostseezeitung 16.03.2007

Soldat Mensch und Mensch Soldat

Was, wenn der Soldat nicht mehr Soldat sein kann? Kann er wieder „nur“ Mensch sein? Diese Frage wurde am Mittwoch im Wismarer Theater gestellt. Schauspieler aus Frankfurt brachten das Stück „Soldat Mensch“ auf die Bühne


Soldat Mensch - Kammerbühne Theater Wismar
Daniel Heinz und Christina Hohmuth im Theaterstück „Soldat Mensch“ auf der Wismarer Kammerbühne. Foto: N. Hollatz

Wismar Ein eigenartiges Szenenbild. Eine Frau im Abendkleid sitzt am reich gedeckten Tisch, faltet die Serviette auseinander und isst. Ganz am Rande der Bühne sitzt sie, nur spärlich beleuchtet. Davor der junge Mann im verzweifelten Monolog: „Das Sterben hat ein Gesicht. Blut auf ockerroter Erde.“ Andreas ist aus dem Krieg wiedergekommen, aus Afghanistan. Aber für ihn, in seinem Kopf, ist der Einsatz längst nicht vorbei. Immer wieder lebt er das Erlebte durch, Tagträume, die selbst seiner Frau Konstanze gefährlich werden. Der Mann, der durchdreht, der den Krieg nicht verarbeitet hat, der den Tod immer wieder vor Augen sieht.

„Du musst aufhören, Soldat zu sein“, so seine Konstanze. „Ich bin nur noch als Soldat ein Mensch“, so der zusammenbrechende Andreas, dem weder Mutter noch Konstanze helfen können, sich aus seinem ganz persönlichen Albtraum zu befreien. „Mutter, ich habe mit dieser Waffe auf jemanden geschossen! Es könnte eine Frau oder ein Kind gewesen sein!“, sagt Andreas. „Ich möchte das nicht wissen, du bist doch mein Bub, mein unschuldiger! Du hast doch nur deine Arbeit getan“, sagt die Mutter. Er weint, „keine Heldentränen, sondern Tränen des Jammers. Der Abschied vom Menschsein.“

Vielschichtig und schwer zu verdauen an einem Mittwochabend ist das Thema, dessen sich die Schauspieler vom Theater Frankfurt angenommen haben. Der Soldat als Täter und als Opfer. Der Krieg, der einen Menschen so verformt. Und die, die dabei am reich gedeckten Tisch sitzen, es sich schmecken lassen, vielleicht ganz nebenbei das alltägliche, gar nicht so weit entfernte Grauen in den Fernsehnachrichten fast live verfolgen. Und das Leben geht weiter.

Für Andreas – eine eindrucksvoll und erdrückend von Daniel Heinz dargestellte Charakterstudie – ging das Leben nicht weiter. Nachdem Konstanze (Christina Hohmuth) ihn verlassen hat, bringt er sich um. Und dazwischen die Frage: Wer war schuld? Der, der ihn schickte? Der, der ihn gehen ließ? Oder der, der ging? „Dem Soldat in mir will ich vergeben, dem Mensch nicht“, so Andreas. Eine Augenweide nicht nur das schauspielerische Können der Akteure. Christina Hohmuth, die zwischen der Rolle der Konstanze, der Mutter und der schrillen Bürotante vom Arbeitsamt – auch ein arbeitsloser Soldat landet dort – meisterhaft hin und her springt.

Kein kitschiger Symbolismus, keine theatralische Effekthascherei, sondern die einfache Hinterfragung des „Soldat Mensch“ und der eigenen Entscheidung der Schüler im Publikum zum Thema Karriere in der Bundeswehr. Denn das, was grün-bunt beworben wird, ist im wirklichen Leben etwas, was einen Menschen nicht nur körperlich zerstören kann.
N. HOLLATZ

 


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