P R E S S E S P I E G E L

MOZ 08.04.2003

Freiheit ist nicht nur süß, sondern wiegt schwer wie ein Stein
Premiere im Theater im Schuppen: "Die Fliegen" nach J. P. Sartre

Ein jammernder Geigenton durchzieht die Stille des Zuschauerraums im Theater im Schuppen. Gleich darauf setzt das Geheul der Bewohner der Stadt Argos ein, die von Jupiter mit einer schrecklichen Fliegenplage für den Mord an König Agamemnon gestraft wurden. "Blutbeschmierte Mauern, Millionen von Fliegen, ein Geruch wie von Schlächterei, eine Hitze für Kellerasseln, verödete Straßen... terrorisierte Larven, die sich in der dunkelsten Ecke der Häuser vor die Brust schlagen..."

Dieses diabolische Szenario aus Sartres "Die Fliegen" wird in der Inszenierung von Frank Radüg im Theater im Schuppen auf einfache und effektvolle Weise dargestellt: mit zischenden und sabbernden Aasfliegen in Menschengröße, und ihrem bohrenden Summen - dem Geigenton, der sich leitmotivisch durch das ganze Stück zieht.

Der totgeglaubte Orest ist zusammen mit seinem Pädagogen heimlich in seine Heimatstadt zurückgekommen. Jupiter erklärt ihm in Gestalt eines Kaufmanns die Machtverhältnisse: König Aigisth, der Liebhaber seiner Mutter Klytaimnestra, hat die Herrschaft in der Stadt übernommen. Nur Elektra, Orests Schwester lehnt sich gegen das seit 15 Jahren währende Trauergebot auf, denn sie erkennt die Unaufrichtigkeit des Königs, der von der Angst und dem schlechten Gewissen des Volkes profitiert (Köstlich: Markus Stäche als Aigisth). Mit ihrem Bruder Orest beschließt sie den Mord ihrer Mutter und des Königs, schreckt aber vor den Folgen zurück. Orest indes befreit sich von den Göttern und zieht, umgeben von Fliegenschwärmen, aus der Stadt.

Das Stück führt in flottem Tempo durch die antike Atriden-Tragödie, der Bühnenraum wird geschickt in allen Ebenen genutzt, und die Kostüme sind wunderbar klar. Witzige Einf alle wie der aus Menschen gebaute Thron des Aigisths und seine wechselnden Benutzer geben dem Drama, das sich ursprünglich auf die deutsche Besatzung in Frankreich bezog, einen frischen Anstrich. Inwiefern das Stück auch eine Aussage zur derzeitigen Situation macht, darüber wurde im Anschluss an die Premiere diskutiert. Doch der Stein der Freiheit wiegt immer schwer - ob im antiken Argos, wo Orest die Konsequenzen für die Rächung des Vatermordes trägt, im Irak oder in den USA.

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