Frankfurt (Oder) (MOZ/fbu) – „Ich wiege mich im weißen Kleid, vierzig
Jahre Faltigkeit, Wiege mich entlang der Fesseln, angelegt in jenen
all den Jahren, durch mich, durch dich, durch Umstand.“ Diese romantisch
wirkenden Verse stehen im Zentrum des Zweipersonenstücks „Auge aus Glas“
mit dem das Theater im Schuppen am 22. Feb-ruar um 19.30 Uhr in einer
Kooperation mit dem Kulturbüro Premiere feiert. Andrea Windscheffel
und Daniel Heinz tauchen bei dem Wortspiel in die Stille des Dorflebens
ein. Noch suchen die zwei jungen Menschen unter Anleitung des Regisseurs
und Autors Frank Radüg bei den täglichen Proben nach dem gemeinsamen
Weg durch den Dschungel an tiefgründigen Rückblicken und Andeutungen.
Der Schöpfer des Werks hat sich auf das Dorfleben, aus dem er kommt,
eingelassen. Da wird die Geschichte eines alten blinden Mannes und seine
Beziehung zu einer jungen Frau erzählt. Als sie erwachsen ist, schenkt
er ihr seine Glasaugen. Über diese Schnittstelle ist der Titel des Werks
entstanden. Doch der Inhalt der Erzählung, der sich um die Erlebnisse
einer 40-jährigen Frau auf dem Lande rankt, ist weit vielschichtiger
und sehr komplex. Was anderes ist auch bei einem tiefsinnigen Rückblick
auf ihr Leben nicht zu erwarten. Schon am vergangenen Freitag ist das
Team zu den Wurzeln zurückgekehrt. „Wir haben eine spielerische Lesung
von Teilen des Werks im mecklenburgischen Güstrow gemacht. Da waren
den Menschen die im Stück geschilderten Motive wie zum Beispiel die
Wasserpumpe und der etwas anzügliche Pfarrer ein Begriff. Und dort gab
es in den 70er Jahren, wo auch meine Geschichte spielt, die Liaison
einer 84-Jährigen, im Übrigen die stellvertretende Parteisekretärin,
mit einem 50-Jährigen, über die immer wieder gern erzählt wird“, berichtet
Frank Radüg. Auf diese ungewöhnliche Beziehung nimmt Radüg auch in seinem
Werk Bezug. Der politische Kommentar des Theaterchefs: „Das ist wie
mit unseren ehemaligen Stasi-Genossen, die auch ein Verhältnis mit ihrer
30- jährigen Vergangenheit haben.“ Der Pfarrer, das Parteisystem der
SED, der Blinde, die junge Frau, all das sind Elemente, die sich ineinander
verweben und das Gesamtwerk ergeben. Und immer wieder taucht der Begriff
der Stille auf. „Es war wahnsinnig spannend, in diese dörfliche Stille
hineinzuschnuppern, die wir hier in Frankfurt nicht kennen“, erzählt
die Hauptdarstellerin. „Ist das schön“, haben die Schauspieler auf das
Stück beim ersten Kennenlernen gesagt. Denn es zwingt zur Langsamkeit.
In einem Dorf gibt die Natur den Ablauf vor. „In diesem Zusammenhang
haben wir uns gefragt, ob Frankfurt wirklich der Standort ist, wo man
sich zurückziehen kann. Im Dorf ist die Stille noch Stimmung, keine
Langeweile wie in der Stadt“, so der Autor. So sind die Beteiligten
voller Vorfreude auf das Projekt. „Mit der Premiere hört das Stück nicht
auf, sich zu entwickeln“, macht Daniel Lust auf noch mehr.
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