Gedichte gegen die Zeit

von Lewana A.

Flüchtig

Sie flüchten vor Krieg in fremde Welt,
Doch der Krieg scheint ihnen nachzuwandern,
Da jede Kultur sich selbst nur erhält

durch Distanz zur andern.

September 2015

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Die Fremde auf dem Rathausplatz

Es steht eine Fremde auf dem Rathausplatz,
trägt auf dem Arm ihren schwarzen Fratz,
Sie blieb auf der Flucht hier einfach stehen
und kann weder umkehrn noch weiter gehen.

Hinter Gardinen aus dem Zimmer, dem dunkeln
hört man es kaum vernehmbar munkeln:

"Geh nicht so dicht ans Fenster, man."
"Du holst dir noch ne Krankheit ran."
"Vielleicht klaut das Kind, ist abgerichtet"
"Ne, die Schwarzen sind allsamt unterbelichtet."
"Die beten doch den ganzen Tag,
und essen Katzen! Wenn ich´s doch sag!"
"Was, wenn die unsere Häuser besetzen?"
"Man darf sie bloß nicht unterschätzen!"
"Vielleicht plant die ein Attentat!"
"Oh, Gott, und sowas finanziert der Staat!"
"Verhalt dich still, sonst ists vorbei!"
"Nein, ich rufe jetzt die Polizei!"

Es steht eine Fremde auf dem Rathausplatz,
trägt auf dem Arm ihren schwarzen Fratz,
Sie blieb auf der Flucht hier einfach stehen
und kann weder umkehrn noch weiter gehen.

Im Rathaus tut sich ein Fenster auf.
Wir hörn unserer Stadtväter Stimmen heraus:

"Wer gibt ihr essen? Wo soll sie schlafen?
Hat sie auch genug Papier?
Woher dafür das Geld beraffen?
Und wo bleibt das Reportier?
Wer spricht mit ihr, wo kommt sie her?
Wer bezahlt den Dolmetscher?"
Um solches diskutieren sie
und pflegen deutsche Demokratie.

Es steht eine Fremde auf dem Rathausplatz,
trägt auf dem Arm ihren schwarzen Fratz,
Sie blieb auf der Flucht hier einfach stehen
und kann weder umkehrn noch weitergehen.

Noch während jene sich beraten,
schütten Menschen Säcke aus.
Auf die alten Pflastersteine rollt ein Schaukelpferd heraus,
Kuscheltiere, Schlafanzüge, Lampen und ein hübsches Spiel
schenken ihr die fremden Bürger und sie reden viel.
Plötzlich hallen Schritte übern alten Stein.
Die braune Meute stampft heran, voll Spannung ist ihr Schreien.
Sie fordern lauthals ihre Ruh,
die Fremde, die schaut stille zu,
das Kind beginnt zu weinen.

Es steht eine Fremde auf dem Rathausplatz,
trägt auf dem Arm ihren schwarzen Fratz,
Sie blieb auf der Flucht hier einfach stehen
und kann weder umkehrn noch weitergehen.

Da rollt die Feuerwehr herbei,
dicht gefolgt von der Polizei,
Vereine bauen Stände auf,
Herzchenluftballons gibts auch.
Eine Firma bietet Autos an,
grad schleppt man das blinkende Logo heran,
Ein Reporter brüllt sein Mikro an,
Ein Musikant spielt Saxopran,
Alles nutzt die Gunst der Stunde,
Teil zu sein der illustren Runde.
Auf einer Leinwand Häuser brennen,
Menschen rennen...
Es duftet nach gegrilltem Essen.
Die Frau ist längst vergessen.
Am Rathaus wird das Banner festgezurrt:
"FRemdenFReundliches FRankfurt!"
Volksfeststimmung weit und breit,
Die Kassen klingeln, Hund bellt: WOW!
Jubel, Trubel, Heiterkeit,

Doch
Wo ist die fremde Frau?

September 2015

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Kaufwünsche

Es gibt hier und Vielerorten
tausenderlei Wunderding,
das wir erst kaufen und dann horten,
weiter hat es keinen Sinn.

Es füllt die große Leere nicht,
der Menschen Tagespein.
Man kauft ins Dunkel auch kein Licht.
Und Jeder bleibt allein.

Oktober 2015

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Glitzerwelt

Menschen, angelockt von Fülle,
streben stets zum Monopol,
Doch unsre Welt mit Glitzerhülle,
sie ist innen hohl.

All das Locken tarnt Betrug,
ihr Sinn ertrinkt im Überfluss,
hat der Seelen längst genug,
vergeht vor Überdruss.

Bitter
lehrt
sie
uns
Verzicht:

Klare Menschen
braucht Die nicht.

Oktober 2015

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….Vom Wert…

Jede Lüge ist ein Dolch, ein unbemannter Flieger,
Wer wegschaut gehört in diesem Krieg zu den gefährlichsten der Krieger.

Wir schweigen Menschen,Tiere tot
und essen dann ihr krankes Fleisch
vom Supermarkt, im Angebot
zum halbierten Schäppchenpreis
- weit unter Futterwert.

Still singt es seine Giftmelodie
dem, der es verzehrt,
von unsrer heiligen Markt-Demokratie,
und dass Werte nur da sind, wo man sich we(h)rt!

25.10.2015
nach Arte-Doku "Nie wieder Fleisch?"

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Krieg 1

Krieg schaut zum Fenster rein,
schneidet ein blutig Gesicht
heut ein Star im Fernsehschein
morgen frisst er mich
(Vortext zu Krieg 4 "Die Angst ist eine Frau")

Krieg 2 - Revolutionäres Gebet

Lieber Gott,
Weck die Neugier wieder und den Erfindungsdrang,
Notwendiges mit uns anzufang´n.
Sollen wir so weitersterben… weiterleben?
Amputiere uns das Herrschaftsstreben!
Schneid auch die Neurosen weg,
Egoarsch und Alltagsspeck,
Fort der Nagellack und die Allüren!
Dann wolln wir auch wieder Kinder kriegen.
Und in der Not fressen wir dann Fliegen
und teilen gern, denn wir lernen
wieder gute Manieren,
und ler`n
die Eltern ehrn.
PS: Doch bitte fasse Dir ein Herz, mach schnell und sicher ohne Schmerz.

Und dass ich ja kein Blut verlier, das wünsch ich mir. Amen.

Krieg 3

Leiden tun wir sowieso -
Der Umstand bestimmt nur das Niveau.

Krieg 4
Die Angst ist eine Frau

Der Krieg, er schläft nicht.
Er hat sich für mich fein gemacht.
Durch den Bildschirm schaut mir sein Gesicht
grinsend in die Stube,
der fleißige alte Bube!

…kommt er herein….
…fickt er die Seele im Kanonantakt…
…..entschlackt…
…sie vom Haben bis aufs Sein…
…und zeichnet über Generationen…
…all meine Kinderlein…
….mit seinen hässlichen Mutationen….

Dieser fleißige alte Bube,
der grinsend schaut in meine Stube
mit hämischem Gesicht,
fein gemacht,
Nein, der schläft nicht.

Krieg 5

Frieden schenkt Wohlstand,
und Blick aufs Ich,
Krieg dagegen lehrt Verzicht,
zwingt ein Wir auf jedem Ich,
heißt Menschen zu entwickeln sich,
zeigt grausam ihm was wesentlich.

Krieg 6

Wo längst die Last des Wohlstands quält,
Wo sinnlos alle Müh,
Da hast Du lange uns gefehlt,
und kommst doch viel zu früh.

Friedenskrank

Die Zeit ist so satt,
Die Menschen so matt,
Der Frieden hat sich umgekehrt.
Jetzt da alles geht so glatt,
drehn alle hier am Rad…
Keiner bleibt unversehrt.

Oktober 2016

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Waffengeklapper

Hier stehe ich und füttre die Zeit.
Herzgerüstet, für den Tanz bereit,
den Tanz mit den Dämonen. 
He, Geister meiner Ahnen.
Heute such ich Eure Blicke.
Heut weiß ich um Eure Tücke.
Kenne den Schmerz, der in mir wohnt.
Heute ist da wer, für den es sich lohnt.
Heut schreckt mich Euer Grollen nicht.
Heut bin ich bar.
Heut bleibe ich.

Und wenn ich je bereue,
dann nur meine Treue,
da ich Eure Sklavin war.

Hier stehe ich und füttre die Zeit.
Kommt nur, kommt, ich bin bereit.

Juni 2017

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Fluss

Stille wie Moos, hier oben am Fluss
Die Zeit ist stumm,
Nur in der Ferne Gewittergrollen,
Gift gesät, Köpfe rollen, Erde bebt,
Draus wird neue Geschichte gewebt,
oder vielmehr dienlich gebogen,
und stets unfertig, wechselnd ihre tausend Gesichter, 
in das hungrige Flussbett gezogen, 
wo ihr blutiger Fadenschein
bald wird verwässert, vergangen sein.
Denn die Zeit ist Vollzug, niemals Richter.


21.6.2017

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Lied der satten Jugend

Schaffen schweißte die Alten zusammen, 
Fertig! - FÜR UNS! Doch wir hab´n nichts begonnen… 
S´ist alles unlängst da,
zeronnen 
jedes Ziel.
Sinnfern jedes WIR.

Unsere Lebenswelt geformt, 
genormt,
zwischen Sicherheitsleinen
Doch Genuss kann uns nicht einen.
Stumpft ab, wird Groll:
Wir sind stets zum Platzen voll
mit Essen, dass wir nicht gekocht,
mit Wissen, dass wir nicht erfahren,
mit Geld, dass wir nicht verdient. 

Für unsern Dank gibts keine Bank.
Alles, was wir tun, nur Abklatsch und Konsum.

Doch wenn wir lehren unsere Hände,
ist das der Anfang vom Ende.

23.6.2017